The wearness: Interview mit Gründerin Julia Zirpel

Julia Zirpel: "Mode ist zum Wegwerfprodukt geworden. Das wollen wir ändern"

The Wearness Gründerin Julia Zirpel

Fair, transparent und mit gutem Gewissen – beim Onlineshop „the wearness“ finden modebewusste Kundinnen neue Lieblingsteile. Gründerin Julia Zirpel verrät im Interview, warum Qualität immer gewinnt und wie es ist, sich wieder auf alte Traditionen zu besinnen.

Schnell und billig produzierte Massenware, Designer, die immer mehr Kollektionen in kurzer Zeit entwerfen – irgendwann drehte sich die Fashion-Welt für Julia Zirpel zu schnell. Die Moderedakteurin entschied, dem etwas entgegenzusetzen. Eine Alternative zu Fast Fashion, eine Rückbesinnung auf alte Tugenden wie Qualität, gute Schnitte und Materialien, die fair und nachhaltig produziert sind. Denn sie war sich sicher: Fair produzierte Mode gibt es auch ohne verstaubtes Öko-Image. Langlebiger Luxus geht auch umweltfreundlich und transparent.

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Die Idee zu „the wearness“ war geboren, einem Ort, an dem man mit gutem Gewissen einkaufen kann - ohne auf Stil und Qualität zu verzichten! Gemeinsam mit ihrem Team kuratiert die Modejournalistin alle Produkte wie Blusen, Kleider, Hosen, Pullover, Mäntel aber auch Accessoires wie Taschen und Schuhe und geht dabei nach einem ganz einfachen Prinzip vor. In ihr Sortiment kommen nur Teile, die drei Charakteristika erfüllen: großartiges Design, einwandfreie Qualität und nachhaltige Produktionsmethoden.

Neben fair und ökologisch produzierter Mode ist der Modejournalistin eines wichtig: „Wir verkaufen den Kunden das, was sie wirklich lieben." Und das funktioniert am besten, wenn die Artikel fair UND schön sind. Wir haben uns mit Julia Zirpel zum digitalen Interview getroffen und uns über Pionierarbeit und alte Tugenden unterhalten.

MYBESTBRANDS: Mit der Gründung von „the wearness“ 2017 wollten Sie das Image von nachhaltiger Mode entstauben. Tatsächlich bieten Sie sehr hochwertige Ware aus dem Premium- und Luxusbereich an - verstehen Sie sich als Pionierin im nachhaltigen Luxusmode-Bereich?

Julia Zirpel: Als wir "the wearness" gründeten, gab es bereits die ersten nachhaltigen Designerlabels wie Stella McCartney oder Gabriella Hearst. Aber die Auswahl an Labels im Mode- und Luxussegment, die nachhaltig und transparent produzieren, war sehr klein und für den Kunden kaum sichtbar.

Immer wieder fragten uns die Leserinnen und Leser der Zeitschriften, für die wir arbeiteten, wo sie nachhaltige Mode finden, die gleichzeitig schick und besonders ist. Und wie sie erkennen können, welche Labels nachhaltig und fair produzieren. Wir wussten, dass es diese Labels gibt, aber dass sie nicht sichtbar sind.

Wir sehen "the wearness" als eine Art Schaufenster für mehr Sichtbarkeit. Und in unserem Segment waren wir damit wirklich so etwas wie Pioniere. 

The wearness Gründerin Julia Zirpel

MYBESTBRANDS: Sie kommen als Modejournalistin ursprünglich aus dem typisch schnelllebigen Mode-Zirkus. Wann wussten Sie, dass Sie dem etwas entgegensetzen möchten?

Julia Zirpel: Als langjährige Modejournalistin und Fashion Director für Zeitschriften wie Myself, Cosmopolitan und Interview habe ich aus erster Hand erfahren, wie sehr sich die Branche verändert. Am Anfang waren wir zweimal im Jahr auf den Messen. Bald gab es vier Kollektionen. Jetzt erwartet der Kunde jedes Mal, wenn er das Geschäft betritt, eine neue Kollektion. So schnell wie die Mode in die Läden und in die Kleiderschränke kommt, so schnell wird sie auch wieder entsorgt. Mode ist zunehmend zu einem Wegwerfprodukt geworden. Sie hat keine Bedeutung mehr für uns.

Was bleibt von ihr übrig? Berge von ausrangierter Kleidung, weit weg und möglichst billig produziert. In Deutschland wird jedes Jahr mehr als eine Million Tonnen Textilien vernichtet. Die Mode ist zu einem der größten Umweltverschmutzer geworden.

Ich habe diese Entwicklung bewusst miterlebt und kannte die verheerenden Zahlen. Gleichzeitig habe ich Mode immer geliebt. Ich suchte nach einer Möglichkeit, diese beiden Extreme zu verbinden.

2016 absolvierte ich neben meinem Job als Redakteurin ein berufsbegleitendes Studium in Innovation Management in Amsterdam an der THNK School of Creative Leadership mit dem Schwerpunkt Purpose + Profit. Während dieser Zeit wurde die Idee für "the wearness" geboren.

MYBESTBRANDS: Wie ist Ihr Entschluss in der für gewöhnlich gut vernetzten Modebranche aufgenommen worden?

Julia Zirpel: Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich - von Unverständnis, dass ich meinen guten Job als Modedirektorin bei Condé Nast aufgegeben habe, um mich dem vermeintlich "unsexy" Thema Nachhaltigkeit zu widmen, bis hin zu Anerkennung für den Mut, etwas Neues zu beginnen.

MYBESTBRANDS: Seit der Gründung von „the wearness“ hat sich viel getan - Fridays for Future, immer mehr Blogger und Labels, die auf das Thema setzen, das neue Lieferkettengesetz und nun die „Klima-Wahl“ - inwieweit hat sich der Modemarkt die letzten Jahre aus Ihrer Sicht verändert? Spüren Sie ein Umdenken auf Seiten der Konsumenten, aber auch der Produzenten?

Julia Zirpel: Leider ist vielen Kunden immer noch nicht bewusst, welch große Rolle die Mode als Klimasünder spielt. Es wird viel über Reisen, Autos, Energie oder Lebensmittel gesprochen. Mode ist immer noch ein Randthema. Und obwohl viel über Nachhaltigkeit gesprochen wird, kaufen die Menschen immer noch zu wenig fair oder ökologisch produzierte Mode.

Spannend ist für uns, dass fast jedes neue Label, das gegründet wird, Nachhaltigkeit im Konzept hat. Und auch die klassischen Brands wissen, dass sie sich dem Thema kaum entziehen können. Aber viele sind noch unsicher, wie sie es umsetzen sollen. Auch wenn es darum geht, die ersten Schritte zu gehen, reicht es mir persönlich nicht, wenn nur einzelne Produkte "sustainable" sind.

"Männer sind Bedarfskäufer und vermeiden so Fehlkäufe."

MYBESTBRANDS: Sie bieten auf „the wearness“ sowohl Damen- als auch Herrenmode an. Können Sie eine Tendenz erkennen – wie sieht das Kaufverhalten bei Männern und bei Frauen aus?

Julia Zirpel: Frauen sind klassische Impulskäuferinnen. Sie sehen etwas, verlieben sich und kaufen es. Das führt oft zu unüberlegten Käufen, die dann nicht lange genug getragen werden. Aber gerade die Tragedauer ist entscheidend, wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen. Jedes Kleidungsstück, das mehr als 30 Mal getragen wird, kann als nachhaltig bezeichnet werden. Je länger ein Kleidungsstück "lebt", desto weniger Ressourcen werden verbraucht und desto weniger Abfall entsteht.

Männer sind eher die klassischen Bedarfskäufer. Sie kaufen etwas, wenn sie es brauchen. Oft greifen sie zu Teilen, die sie schon einmal gekauft und für gut befunden haben. Oder sie informieren sich ausgiebig, bevor sie Geld in etwas investieren. Männer lieben es, die "perfekte" Jeans zu finden, den handgefertigten Turnschuh, ... Bei beiden Verhaltensweisen werden Fehlkäufe vermieden.

 

Siegel The Wearness

MYBESTBRANDS: Sie haben ein eigenes Bewertungssystem mit zehn Siegeln geschaffen. Wie wenden Sie diese an? Bewerten Sie die Marken selbst oder bauen diese auf den Aussagen der Marken auf? 

Julia Zirpel: Transparenz ist einer der wichtigsten Faktoren bei "the wearness". Um die Firmen besser einschätzen zu können, haben wir einen sehr detaillierten Fragebogen, den alle Labels beantworten müssen, bevor wir mit ihnen zusammenarbeiten. Dieser Fragebogen dient nicht nur als Basisbewertung, sondern hilft uns auch bei der Verteilung der zehn verschiedenen Nachhaltigkeitssymbole, die für Eigenschaften wie "vegan", "bio", "öko-friedlich", "fair" oder "handgemacht" stehen.

Um bei "the wearness" aufgenommen zu werden, reicht es uns aber nicht, wenn nur einzelne Aspekte von den Marken berücksichtigt werden. Es ist uns wichtig, dass wir ein grundsätzliches Engagement der Marken für mehr Nachhaltigkeit erkennen.

Die Icons helfen unseren Kunden zu verstehen, wie und unter welchen Aspekten die Unternehmen und die einzelnen Produkte nachhaltig sind.

MYBESTBRANDS: Anfangs waren Sie alleine, später holten Sie sich mit Jennifer Dixon, Karolin Helou und Guya Merkle Expertinnen aus der Mode-Branche hinzu. Würden Sie sagen, dass die Branche generell auf eine Zeitenwende zusteuert?  

Julia Zirpel: Das Konzept für "the wearness" habe ich von Anfang an gemeinsam mit Jennifer Dixon entwickelt. Sie kommt wie ich aus dem Modejournalismus und war viele Jahre Fashion Director bei Instyle. Darüber hinaus brachte sie E-Commerce-Expertise mit. Zuletzt arbeitete sie als Editorial Director beim Luxus-Onlineshop Stylebob.

The wearness Team

Schon vor der Gründung haben wir verschiedene Labels kontaktiert und unser Konzept vorgestellt, um zu verstehen, welche Brands an einer nachhaltigen Plattform interessiert sein könnten.

Eines der Labels war das Fine Jewellery Label Vieri. Die Gründerin von Vieri, Guya Merkle, war begeistert. Sie glaubt fest an die Vereinbarkeit von Luxus und Nachhaltigkeit. Und sie war sofort bereit, uns bei "the wearness" zu unterstützen. Gleich nach unserem Launch stieß die Moderedakteurin Karolin Helou zu uns.

Das Team von "the wearness" (v.l.): Julia Zirpel, Guya Merkle, Jennifer Dixon, Karolin Helou.

Die Branche ist sich inzwischen sehr bewusst, dass Nachhaltigkeit in der Produktion die einzige Möglichkeit ist, die Zukunftsfähigkeit zu sichern. In den vier Jahren seit unserer Gründung hat sich viel getan.

Inzwischen sind es nicht nur die Kunden, sondern auch Investoren, die Politik und neue Gesetze, die ein Umdenken erfordern.

The wearness Kleid

MYBESTBRANDS: Und nun eine Frage an die nachhaltig denkende Modejournalistin: Mit welchem Teil kommt Frau durch die nächsten zehn Jahre?

Julia Zirpel: Einer meiner Favoriten, für jetzt und die nächsten Jahre, ist dieses klassische Hemdblusenkleid aus unserer eigenen Kollektion. Wir bringen alle drei Monate ein neues Produkt auf den Markt. Das Besondere an unserer Capsule Collection ist das konsequent nachhaltige Konzept und das Bekenntnis zu den Prinzipien der Circular Economy. Stücke, die mit zeitlosen Designs überzeugen und keinen Abfall auf der Erde hinterlassen.

Das Kleid direkt hier bei the wearness ansehen >> 


Liebe Julia Zirpel, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

Wenn Sie sich noch mehr zum Thema Nachhaltigkeit in Mode, Beauty und Lifestyle informieren möchten, dann besuchen Sie doch unser Herzensprojekt Fairlyfab.


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