Antonio Marras

Illustration Antonio Marras

Antonio Marras, geboren auf der kleinen italienischen Insel Sardinien, wuchs in einer für einen späteren Modedesigner traumhaften Umgebung auf: Zwischen unzähligen Stoffen und Stickereien lernte der kleine Antonio im Laden seines Vaters seine Liebe zu traditionellen Mustern kennen. Die Kreationen seiner eigenen Modelinie atmen Vintage-Flair wie keine anderen – uns hat er erzählt, warum gerade Frauen ihn in seiner Arbeit so beeinflussen.

Foto Antonio Marras

Was inspiriert Sie?

Für mich kann alles eine Inspiration sein. Eine Person, eine Geschichte, ein Charakter, sogar etwas Offensichtlicheres wie beispielsweise ein Bild, ein Objekt, eine Figur, ein Geräusch oder ein Song. All das sind Dinge, die mein Interesse wecken können. Ich achte immer auf jede Nachricht und Stimme, die ich erhalte und übersetze sie dann in Zeichen. Ich sage oft und gerne, dass meine Kreationen daraus entstehen, wer Ich bin. Sie entstehen aus der tausende Jahre alten Erfahrung, die Spuren und Schichten hinterlassen hat – ich versuche das in meiner Art, Frauen und Männer einzukleiden, auszudrücken.

Was sind prägende Momente in Ihrem Leben gewesen?

Da fallen mir drei Sachen ein: Zuallererst würde ich das Treffen mit meiner Ehefrau und Muse Patrizia nennen. Dann natürlich die Tatsache, dass ein Produzent mich im Jahr 1987 bat, eine Kollektion für Ihn zu zeichnen. Der dritte prägende Moment für mich war das Treffen mit der Künstlerin Maria Lai.

In Ihrer Arbeit beziehen Sie sich oft auf Musen, die die „Idee von Feminismus“ auf persönliche Art und Weise repräsentieren (beispielsweise Benedetta Barzini). Können Sie uns das erklären, uns einen tiefer gehenden Eindruck verschaffen?

Jede Kollektion erzählt eine andere Geschichte. Es gibt ein wiederkehrendes Motiv und sogar eine spezifische Art von Weiblichkeit, auf die ich mich beziehe. Ich muss gestehen, dass ich schon immer Angst vor der Frage hatte, wie meine perfekte Frau aussieht. Ist es die sardonische Frau, stark und anständig, oder eine globalere und idealere Frau?

Es erscheint mir respektlos, Frauen auf einen bestimmten Typ bzw. Stereotyp zu reduzieren. Die weiblichen Persönlichkeiten unterscheiden sich, sie sind vielschichtig, mehrlagig in Zeichen und Formen, und vor allem verschieden in der Geschichte, die sie erzählen. Jede Frau muss ihre Identität selbst entdecken und anerkennen. Es gibt Frauen die mich ansprechen, wie beispielsweise Pina Bausch, Silvana Mangano und Isabelle Huppert. Wenn ich entwerfe, habe ich das Bild einer Frau vor Augen, die ihre eigenen Wünsche und Träume ausdrücken und realisieren kann. Das ist der Grund, warum Kollektionen, die Maria Lai, „Fili Lai Lai“, Ligazzios Rubios, Annemarie Schwarzenbach, Badd’e Salighes und vielen weiteren gewidmet sind, entstanden.


Kollektion von Antonio Marras

Ihre Leidenschaft für die Kunstwelt ist in all Ihren Kollektionen sichtbar. Welche Art der Beziehung besteht Ihrer Meinung nach zwischen Kunst und Mode?

Es besteht keine richtige Trennung zwischen Kunst und Mode. Ich denke, da gibt es nur eine Art Ungleichgewicht. Es bestehen geheime Verbindungen zwischen den Dingen, und diese möchte ich durch meine Arbeit aufdecken. Das fasziniert mich und ist der Grund dafür, dass ich immer wieder Ausflüge in die Kunstwelt unternehme. Mode ist für mich verspielt, fantastisch, kreativ und nachdenklich. Ich liebe den Reichtum an Bedeutungen und Ausdrucksformen, die miteinander verflochten sind. Sie transformieren, fusionieren, überlappen, sie verschwinden und wachsen. Zeichnen, Musik, Tanz, Theater, Kino, Fotografie, Lesen – all diese Medien braucht man um Mode richtig zu entdecken und die zeitgenössische Realität zu verstehen und nachzuempfinden. Die Ausflüge in die Kunstwelt sind ein Teil von mir. Letztendlich ist Kunst für alle, die in der Modebranche arbeiten, eine Quelle der Inspiration. Ich bin froh einen Job zu haben, der es mir erlaubt, Unvorhersehbares zu mischen. Jede Show von mir ist eine Installation, wo verschiedene Kunstformen aufeinandertreffen, kollidieren und kleine Kreisläufe generieren. Eine Explosion von Bildern und Bedeutungen.

Welche Art der Kunst hat die meiste Bedeutung für Sie?

Ich gucke leidenschaftlich gerne Filme. Wahrscheinlich weil es sich dabei um eine sehr vielseitige Kunstform handelt, die sich durch viele verschiedene Sprachen, visuelle Codes, Sounds und Erzählungen ausdrückt. Jedes Mal, wenn ich einen Film sehe, tauche ich in eine neue Welt ein und vergesse alles um mich herum. Für viele Filme hätte ich gerne fotografiert oder Set, Design, Kostüme, Storytelling oder Requisiten entworfen. Zum Beispiel für Barry Lindon, Death in Venice und The Damned. Die Geschichten faszinieren mich, und reizen mich besonders aufgrund ihrer Einzigartigkeit und Komplexität. Filme versetzen mich in eine Fantasiewelt. Bisher habe ich noch nicht für das Kino gearbeitet, aber für das Theater. Die Komödie "A Midsummer Night's Dream" liebe ich am meisten. Die Charaktere einzukleiden war schon immer einer meiner wildesten Träume.

Welchen Rat würden Sie einer jungen Frau/einem jungen Mann geben, die/der in Ihren Job hineinwachsen möchte?

Ich weiß es nicht. Das ist eine schwierige Frage. Es braucht eine ganze Menge, viel Leidenschaft, Zielstrebigkeit, Hingabe und Glück. Es ist dasselbe wie bei jedem anderen Job. Für mich selbst gilt: Ich war, und bin nach wie vor sehr starrköpfig.


Foto Antonio Marras

Italien ist auch ein Lifestyle. Welche Beziehung besteht zwischen Mode und Essen?

Ich denke, das ist ein fundamentaler Aspekt. In meiner Region spielt die Küche eine zentrale und wichtige Rolle. Das Essen, das du auf den Tisch bringst, repräsentiert dich und deine Familie. Es reflektiert Tradition, Kultur und Liebe und Geborgenheit. In meinem Restaurant „Nonostante Marras” biete ich meinen Gästen immer sardinische Spezialitäten an.

Viele Menschen bezeichnen Mode als oberflächlich und irrelevant.

Schade! Vielleicht verwechseln diese Menschen Trends mit Mode. Viele sagen ja, Mode ist gleichbedeutend mit Leichtsinnigkeit und Oberflächlichkeit. Sie sei kurzlebig und unbedeutend. Stattdessen ist Mode eine komplexe Welt, die gleichzeitig so viel ausströmt: Faszinierende Energie, starke Referenzen und enge Verbindungen mit anderen Welten. Darüber hinaus nimmt Mode auch Einfluss auf das Kino, die Kunst, das Kunsthandwerk und die Arbeit. Es ist eine Industrie, die Arbeitsplätze schafft und wenn es gut läuft, eine sehr gute Einnahmequelle für unser Land werden kann.

Warum ist Ihnen Mode wichtig? Wäre sie Ihnen ohnehin wichtig?

Mode ist mein Leben. Sie war der Anfangspunkt, von dem ich begonnen habe, mit dem was ich liebe. Mode vereint alle Handwerke: Kino, Literatur, Fotografie und Tanz. Es ist mein Instrument, um die Welt zu verstehen.


Wo würden Sie momentan gerne ein Praktikum machen?

Ich würde mich gerne mal als Verkäufer ausprobieren. Oder, falls das nichts für mich ist, würde ich gerne einen Einblick in die Keramik-Herstellung erhalten.

Was würden Sie niemals tragen?

Sag niemals nie!

In welcher Situation sind Sie vor Scham rot angelaufen?

Ich bin nur sehr selten verlegen und mir ist fast nie etwas peinlich. Vielleicht wenn mir jemand gratuliert?


MEINE STYLE-ITEMS

Nennen Sie eine Situation, in der Sie unpassend gekleidet waren.

Auf einer Abendveranstaltung zu meinen Ehren, die im Ritz Paris stattfand: Jemand musste mir ein Jackett leihen, bevor ich überhaupt eintreten konnte!

Welches Kleidungsstück in Ihrem Schrank hat den größten imateriellen Wert für Sie und warum? Was ist die Geschichte dahinter?

Das ist mein schwarz-weiß gestreifter Pulli. Er hat Knöpfe auf einer Seite des Halses. Ich habe diesen Pulli vor 20 Jahren in einem Vintageladen in Amsterdam gekauft! Ich bin mit dem Fahrrad an dem Shop vorbeigefahren und habe den Pullover im Schaufenster gesehen, mich sofort in dieses Teil verliebt und es seit dem nicht mehr vergessen.

Was sind Ihre persönlichen Key Pieces?

Karierte Jacken, Westen und Jogginghosen!


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Das Format Lifestories stellt ganz besondere Charaktere vor, die in Zusammenhang mit Mode stehen. Denn auch Brands sind nicht gesichtslos, sondern werden durch die Menschen geprägt, die ihre Ideen und Visionen durch den Brand darstellen. Vorgestellt werden Menschen, keine Köpfe. Typen mit Charakter, die wirklich etwas zu erzählen und bedeutenden Einfluss auf die Welt der Mode haben. Deren Leben einen oder sogar mehrere Wendepunkte aufweisen.